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2022 – KW 39

Anwaltspost aus Wien an die französische Atlantikküste

Eine besondere Frankatur mit einem höheren Gewicht oder einer besonderen Behandlung (hier: „Recomandiert“ – „eingeschrieben“ – englisch „registered“) ist wesentlich  häufiger anzutreffen, als bei einem einfachen Brief. Und Anwaltspost wird wesentlich häufiger aufgehoben als Rechnungen oder Tageszeitungen.

Dass dieser Brief wertvollen Inhalt hatte, zeigen die rückseitigen fünf Wachssiegel, deren Hitzespuren für Flecken auf der Vorderseite verantwortlich sind. Diese Wachssiegel sind wahrscheinlich aber auch dafür verantwortlich, dass die Reko-Gebühren adressseitig verklebt sind – vorschriftswidrig wie Dr. Ferchenbauer in seinem Attest anmerkt – und mit einem zweiten Ausrufzeichen Nachdruck verleiht.

Gewöhnlich – und dies dürfte der Vorschrift entsprechen – ist bei österreichischen Einschreibbriefen aus dieser Periode die Einschreibgebühr rückseitig verklebt. Bei Faltbriefen ist es meist so, dass ein Öffnen des Briefes ohne eine Zerstörung der Marken nicht möglich war. Die Marken für die Reko-Gebühr dienten so als Schutz gegen unbefugtes Lesen des Inhalts, was in diesem Fall die Wachssiegel des Absenders sicherstellen. Dem Sinn, aber vermutlich nicht dem Wortlaut, der Vorschrift dürfte also genüge getan sein.

Im Jahr 1871 befinden wir uns in einer unruhigen Umbruchphase. Die preußisch-deutsche Belagerung von Paris endete im

Januar und in Versailles war das Deutsche Reich gegründet worden. Als dieser Brief in weniger als drei Tagen von Wien quer durch das Gebiet des Deutsch-Österreichischen Postvereins nach Paris und weiter nach Bordeaux befördert wurde, war der Friedensschluss in Frankfurt noch keine 14 Tage her. Insofern wundert der fehlende französische Grenzübergangsstempel nicht wirklich – Straßburg, das frühere Austauschpostamt mit Baden, welches dem kürzesten Weg durch den DÖPV aus Österreich entspricht, war nun Deutsch und hat sicher nicht mehr die französischen Eingangsstempel abgeschlagen. Aber: der vorderseitige P.D., der „Chargé“ mit der zugehörigen Registrierungsnummer und der rückseitige Bahnpoststempel “PARIS A BORDEAUX“ zeigen eindeutig, dass dieser Brief durch die französische Post bearbeitet wurde und sicherlich auch sein Ziel erreicht hat – sonst würden wir ganz andere Vermerke vorfinden.

Der laxen Auslegung der Vorschriften durch den Postbeamten in Wien verdanken wir jedenfalls ein attraktives Stück mit dem die vollständige Frankatur auf einer Seite gezeigt werden kann und bei der ein Aussteller eventuell auf das zeigen der Rückseite verzichten kann. Alles wesentliche ist vorderseitig zu sehen. Die nicht häufige 50 kr Marke, gut lesbar übergehend entwertet, runden diesen Brief, der als Los 4094 in unserer Oktober-Auktion angeboten wird, ab.

Los 4094 aus unserer 54. Auktion.

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